Kampmann und die Farbe und der Betrachter

von Verena Ummenhofer

Eins steht fest: ein Bild von Katrin Kampmann erkennt man. Doch was ist es, das die Bilder der jungen Künstlerin so charakteristisch macht und warum bleiben sie so eindrucksvoll im Gedächtnis? Am augenfälligsten ist wohl der Einsatz der Farbe, die Katrin auf ihren Leinwänden gleichsam zu feiern scheint. In der Entstehung eines Bildes erteilt die Künstlerin ihr als erster das Wort, indem sie nach dem Prinzip des „gelenkten Zufalls” dünnflüssige Tusche auf die Leinwand schüttet. Die Farbe darf sich zunächst weitgehend frei ihre Form suchen. Auf die so entstandene Vorgabe aus teils nebeneinander stehenden, teils ineinander fließenden Farbinseln geht Katrin mit einem unbeirrbaren Gefühl für koloristische Komposition ein. Es entspinnt sich ein Dialog zwischen den „Farblauten” auf der Leinwand und der Malerin, während dessen die Ideen zu Figurationen entstehen, die uns schließlich in einem atmosphärisch geladenen Bildraum begegnen. Kampmann entwickelt vor und aus den Farbverläufen Formen, die meist junge Menschen erkennen lassen, allein oder in einer Gruppe, ruhend oder in Aktion, manchmal in Gesellschaft von Tieren. Sie ziehen die Aufmerksamkeit des Betrachters in den Bann, weil sie auch ihn zum Dialog einladen, anstatt ihm ein unumstößliches Sosein zu präsentieren. Dies gelingt Kampmann indem sie darauf verzichtet, die Figuren detailreich auszuführen. Vielmehr verschmelzen sie mit den Farbflächen des Hintergrundes und treten nur in einzelnen Partien mit deutlicheren Konturen daraus hervor. Die Gesichter, die nur durch Schatten ein vages Profil erhalten, der Bildraum, den nur manchmal mittels Linoldruck eine vegetabile Landschaft strukturiert und die einzelnen Farbfelder, die wie Wolkenbilder viele Assoziationen zulassen, fordern den Betrachter auf,

mit seinen Erinnerungen und seinem Temperament die Atmosphäre des Bildes mitzubestimmen. So verleiten die Bilder zum träumen, phantasieren oder nachdenken. Sie bleiben in Erinnerung, weil sie sich an die Träume und Gedanken des Betrachtenden knüpfen – oder umgekehrt. Trotz der wichtigen Funktion die den figürlichen Elementen innewohnt, behalten doch Farbe und Form ihr eigenes Recht und auch die materielle Realität des Bildes wird nie verschleiert. So lässt Kampmann der weißen Leinwand oft großflächig und Bild bestimmend Raum. Mit ihr korrespondieren die in Weiß ausgeführten Gesichter, Arme und Beine der Figuren, so dass sie dadurch zugleich negiert werden. Oder wird hier das gemalte Nichtgemalte zum Bedeutungsträger? Kampmann setzt sich auf diese Weise spielerisch über die Auseinandersetzung hinweg, ob Farbe abbilden, oder für sich stehen soll, und entscheidet, dass sie beides zugleich kann. Auch die ikonographischen Traditionen mit ihrem hergebrachten Deutungskanon für ein Bildungspublikum interessieren Kampmann wenig. Stattdessen fordert sie den emanzipierten Betrachter, der in der Lage ist, den Bildern nicht zuletzt aus sich selbst heraus Sinn zu geben. Damit ist sie auf ihre Art zukunftsweisend für eine Malerei, die sich zwischenzeitlich durch eine radikale Abkehr vom Figürlichen zu befreien suchte, dann totgesagt wurde und in den letzten Jahren wieder zunehmend um ihre Position in der Gesellschaft kämpft. Diesen Prozess wird Kampmann mit Sicherheit maßgeblich mitgestalten, denn den Dialog mit Farbe und Betrachter durch immer neue Anstöße voran zutreiben, ist ein elementares Anliegen Ihrer Kunst.